Sämtliches im Landkreis Nienburg/Weser gehaltene Geflügel (unter anderem Hühner, Truthühner, Perlhühner, Rebhühner, Fasane, Laufvögel, Wachteln, Enten und Gänse) ist über den 31.03.2021 hinaus bis zum 30.04.2021 ausschließlich
- in geschlossenen Ställen oder
- unter einer Vorrichtung, die aus einer überstehenden, nach oben gegen Einträge gesicherten dichten Abdeckung und mit einer gegen das Eindringen von Wildvögeln gesicherten Seitenabgrenzung bestehen muss (Schutzvorrichtung),
zu halten.
Die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme wird im öffentlichen Interesse angeordnet.
Diese Allgemeinverfügung tritt am Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.
Begründung:
Aufgrund der aktuellen Verbreitung von HPAIV (H5N8) bei Wildvögeln, insbesondere Nachweise in jüngster Zeit in den Nachbarkreisen Schaumburg, Diepholz und Region Hannover, sowie nach aktuellen Ausbrüchen in Nutzgeflügelbeständen, vor allem in den umliegenden Regionen (z.B. Nachbarkreise Diepholz [4] und Minden-Lübbeke [1]), ist weiterhin von einem hohen Eintragsrisiko in Nutzgeflügelhaltungen durch direkten und indirekten Kontakt zwischen Wildvogel und Nutzgeflügel auszugehen. Dies gilt insbesondere bei der Haltung in der Nähe von Wasservogelrast- und Wildvogelsammelplätzen, einschließlich Ackerflächen, auf denen sich Wildvögel sammeln. Zudem ist der bereits einsetzende Vogelzug in Richtung Norden noch nicht beendet. Die Gefahr, dass infizierte Wasservögel beim Überqueren des Landkreises Nienburg unerkannt verenden und das H5N8-Influenza-Virus sich in der heimischen Greifvogel- und Aas fressenden Vogelpopulation weiter verbreitet haben könnte, so dass ein Eintrag auch in die Hausgeflügelbestände immer wahrscheinlicher wird, wird als hoch bewertet. Daher ist von einer Entwarnung im Seuchengeschehen nicht auszugehen.
Diese Verfügung basiert auf einer aktuellen Risikobewertung vom 19.03.2021 nach § 13 Abs. 2 der GeflügelpestVO. Der Risikobewertung wurde dabei zugrunde gelegt, dass der Landkreis Nienburg/Weser einerseits Wildvogeldurchzugsgebiet für wildlebende Wat- und Wasservögel ist und andererseits eine hohe Wirtschaftsgeflügeldichte aufweist. Außerdem wurde berücksichtigt, dass der Landkreis Nienburg/Weser diverse Flüsse und mehrere Feucht- und Moorgebiete vorhält, welche als Rastplätze für Zugvögel dienen. Bei der Internationalen Wasservogelzählung vom 13./14.03.2021 wurden über den ganzen Landkreis verteilt noch kleinere Gruppen von Bläss- und Graugänse sowie einige noch größere Ansammlungen von Höckerschwänen gezählt. Weiterhin wurde die Risikoeinschätzung des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) vom 22.02.2021 berücksichtigt.
Seit November 2020 bis Mitte Januar 2021 wurden in über 24 niedersächsischen Geflügelhaltungen (Stand 18.01.2021) hochpathogene Viren des Subtyps H5N8 nachgewiesen. Darüber hinaus kam es seit dem 22.02.2021 in Niedersachsen zu einer zweiten Welle von Ausbrüchen der Geflügelpest in Nutzgeflügelbeständen. Bisher wurden 29 Ausbrüche der Geflügelpest in 8 Landkreisen (Ammerland [1], Aurich [1], Cloppenburg [15], Cuxhaven [1], Diepholz [4], Vechta [5], Wolfenbüttel [1], Wesermarsch [1]) festgestellt. Zudem wurde im Nachbarkreis Minden-Lübbeke, Nordrhein-Westfalen, in der letzten Woche der Ausbruch von HPAIV in einer Nutzgeflügelhaltung nachgewiesen.
Bei der Aviären Influenza handelt es sich um eine ansteckende und anzeigepflichtige Viruserkrankung des Geflügels und anderer Vogelarten, die schnell epidemische Ausmaße annehmen und damit Tierverluste und große wirtschaftliche Schäden zur Folge haben kann.
Im Landkreis Nienburg/Weser werden zurzeit ca. 1,8 Millionen Stück Geflügel gehalten. Daher wurde die Maßnahme unter Berücksichtigung des mir eingeräumten Ermessens sowie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften getroffen.
Die vorstehenden Anordnungen sind geeignet, um den Ausbruch der Tierseuche im Landkreis Nienburg/Weser schnell und wirksam zu verhindern. Es ist zu befürchten, dass es zu einer Einschleppung in die Nutztierbestände kommt, da es sich bei diesem Erreger um einen hochansteckenden Typ handelt. Die Aufstallung ist effektiv und führt schnell zu einer hohen Wirksamkeit hinsichtlich der Verhinderung des Kontaktes mit Wildvögeln. Die Maßnahmen sind auch erforderlich, da keine milderen, aber gleich wirksamen Mittel ersichtlich sind. Eine Abwägung der widerstreitenden Interessen ergibt hier, dass die angeordneten Maßnahmen auch angemessen sind. Dem wirtschaftlichen Interesse der Geflügelhalter steht hier unter anderem der Schutz der Tiere vor Krankheiten gegenüber.
Als Zeitpunkt der Bekanntgabe und damit des Inkrafttretens einer Allgemeinverfügung kann der Tag, der auf die Bekanntmachung folgt, festgelegt werden (§§ 41 Abs. 4 Satz 4, 43 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz).
Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung:
Die sofortige Vollziehung meiner Allgemeinverfügung habe ich angeordnet, da durch eine Ausbreitung der Aviären Influenza unter anderem die Gefahr von tiergesundheitlichen wie auch von wirtschaftlichen Folgen erheblich wäre und deshalb sofort zu unterbinden ist. Die sorgfältige Abwägung der Interessen einzelner Geflügelhalter mit denen der Allgemeinheit ergab, dass hier das öffentliche Interesse überwiegt. Das Interesse der Allgemeinheit an umgehenden Bekämpfungsmaßnahmen zum Schutz gegen eine Weiterverbreitung der Seuche ist weitaus höher zu bewerten als das Interesse Einzelner, ihre Tierhaltung wie bisher weiterzuführen.
Ohne sofortige Vollziehung würde ein Rechtsbehelf gegen meine Allgemeinverfügung seine aufschiebende Wirkung entfalten. Dadurch könnten dringend notwendige Maßnahmen möglicherweise für Monate verzögert werden. Aufgrund der aktuellen Tierseuchenlage war es jedoch erforderlich, umgehende Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Es war deshalb nicht hinnehmbar, einem Rechtsbehelf seine aufschiebende Wirkung zu belassen.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diese Verfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage beim Verwaltungsgericht Hannover, Leonhardtstr. 15, 30175 Hannover, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts oder in elektronischer Form erhoben werden.
Hinweise zur Rechtsbehelfsbelehrung:
- Bei Erhebung der Klage in elektronischer Form sind besondere Voraussetzungen zu beachten. Hinweise und Erläuterungen dazu finden Sie auf der Internetseite des Gerichts.
- Aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung hat ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, der Allgemeinverfügung ist auch dann nachzukommen, wenn Klage erhoben wird. Das Verwaltungsgericht Hannover kann aber die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage auf Antrag hin ganz oder teilweise anordnen (§ 80 Abs. 5 VwGO).
Nienburg/Weser, den 26. März 2021
LANDKREIS NIENBURG/WESER
Der Landrat
In Vertretung
Hoffmann
Wichtige Hinweise:
- Ein Verstoß gegen diese Allgemeinverfügung kann als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet werden (nach § 32 Abs. 2 Nr. 4 TierGesG). Das Bußgeld kann je nach Schwere des Sachverhalts bis zu 30.000 Euro betragen.
- Jeder Verdacht der Erkrankung auf Geflügelpest ist dem Fachbereich Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung unter der Telefonnummer 05021/ 967 113 unverzüglich zu melden.
- Jede Haltung von Geflügel (Hühner, Enten, Gänse, Fasane, Perlhühner, Rebhühner, Tauben, Truthühner, Wachteln oder Laufvögel) muss bei der zuständigen Behörde angezeigt sein (§ 26 Viehverkehrsverordnung). Dies gilt auch für reine Hobbyhaltungen und ab dem ersten gehaltenen Tier. Tierhalter, die ihre Geflügelhaltung noch nicht angezeigt haben, sind daher aufgefordert, dies umgehend nachzuholen. Ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht kann ebenfalls mit einem Bußgeld bis zu 30.000 EUR geahndet werden.
- Auf die Einhaltung der Biosicherheitsmaßnahmen zu Fütterung und Tränkung von Geflügel, Früherkennung möglicher Erkrankungen sowie dem Tragen von Schutzkleidung wird ausdrücklich hingewiesen (§§ 3, 5 und 6 GeflügelpestVO).
- Die Seuchenlage wird regelmäßig geprüft und dabei das Risikopotential neu beurteilt. Sofern die Situation es zulässt, wird die Verfügung auch vor Ablauf der Frist aufgehoben.
Zitierte Rechtsgrundlagen
- Verordnung zum Schutz gegen die Geflügelpest (Geflügelpest-Verordnung) Bekanntmachung der Neufassung vom 15.10.2018 (BGBl. I S. 1665), berichtigt am 17.12.2018 (BGBl. I S. 2664)
- Tiergesundheitsgesetz vom 22.05.2013 (BGBl. I S. 1324), Bekanntmachung der Neufassung vom 21.11.2018 (BGBL. I S. 1938), zuletzt geändert am 20.11.2019 (BGBl. I S. 1685)
- Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.01.2003 (BGBl. I S. 102), zuletzt geändert am 21.06.2019 (BGBl. I S. 846)
- Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.03.1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert am 19.06.2020 (BGBl. I S. 1328)
- Viehverkehrsverordnung (ViehVerkV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.05.2020 (BGBl. I S. 1170)