Fort- und Weiterbildungsbedarfe
Ausgangslage
Von November 2019 bis Januar 2020 lief eine Umfrage zu Fort- und Weiterbildungsbedarfen in Betrieben und Unternehmen, die das Bildungsbüro des Landkreis Nienburg/Weser durchführte.
Im Landkreis Nienburg/Weser existiert eine große Vielfalt an Betrieben und Unternehmen mit den unterschiedlichsten betrieblichen Schwerpunkten. Von Soloselbstständigen bis hin zum Weltmarktführer ist in unserem Flächenlandkreis aus den folgenden Bereichen alles vertreten: Bauwesen, Industrie, Handwerk, Logistik, Verkehr, Groß- und Einzelhandel, Service, Verwaltung, Soziales, Gesundheit, Pflege, Naturwissenschaft, IT, Land- und Forstwirtschaft.
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stellen die überwiegende Mehrzahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze zur Verfügung. Im Landkreis Nienburg/Weser waren am 30. Juni 2019 40.796[1] Personen als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort gemeldet. Der Schwerpunkt der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten (siehe Abb. 1) liegt im Landkreis im Bereich der sonstigen Dienstleistungen bei 38,9 Prozent und im Bereich des produzierenden Gewerbes bei 36,3 Prozent. Der Begriff „sonstige Dienstleistungen“ umfasst die Bereiche öffentliche und private Dienstleistungen und Erbringung von Unternehmensdienstleistungen. Die Reihenfolge der Bereiche hat sich im Vergleich zu 2012 (Herausgabe des ersten Bildungsberichtes des Landkreises) verändert, dort lag der Wirtschaftsbereich des produzierenden Gewerbes noch vor den Dienstleistungen.
Abb. 1: Sozialversicherungspflichtige Beschäftigte am Arbeitsort nach Wirtschaftsbereichen (in Prozent):
Quelle: Landesamt für Statistik Niedersachsen, Tabelle K70I5101, eigene Zusammenstellung, Stand: 30.06.2019
Industrie- und Gewerbebetriebe sind im gesamten Landkreis zu finden, die Wirtschaftskraft des Landkreises hat allerdings einen Schwerpunkt in der Stadt Nienburg. Die folgende Darstellung der Arbeitsplatzdichte (siehe Abb. 2) zeigt die geografische Verteilung der Schwerpunkte im Landkreis.
Abb. 2: Arbeitsplatzdichte im Landkreis Nienburg/Weser (pro 100 Einwohnerinnen und Einwohner) am 30. Juni 2019:
Quelle: Landesamt für Statistik Niedersachsen, Tabelle K70I5101, Stand: 30.06.2019
Im Vergleich zu Niedersachsen liegt der Anteil der Beschäftigten im Landkreis Nienburg/Weser (siehe Abb. 3) im Bereich produzierendes Gewerbe über dem Durchschnitt. Im Bereich der Unternehmensdienstleistungen liegt der Landkreis unter dem niedersächsischen Durchschnitt. 2,1 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze entfallen auf die Wirtschaftsbereiche Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei.
Abb. 3: Anteil der Beschäftigten im Landkreis Nienburg/Weser und in Niedersachsen nach Wirtschaftsbereichen (in Prozent):
Quelle: Landesamt für Statistik Niedersachsen, Tabelle K70I5101, eigene Zusammenstellung, Stand: 30.06.2019
Die Schwerpunkte der Beschäftigtenstruktur in den Städten und Gemeinden verteilen sich auf das produzierende Gewerbe und auf sonstige Dienstleistungen. In der folgenden Tabelle (siehe Abb. 4) sind die wichtigsten Wirtschaftsbereiche der jeweiligen Städte und Gemeinden aufgeführt. Sonstige Dienstleistungen umfassen den gesamten Dienstleistungsverkehr mit Ausnahme des Fremdenverkehrs und des Transports. Hierunter fallen so unterschiedliche Dienstleistungen wie Kommunikations-, Bau-, Versicherungs-, Finanz-, Computer- und DV-Dienstleistungen, Lizenzen, Handelsdienstleistungen, verschiedene sonstige Dienstleistungen für Unternehmen, audiovisuelle und Freizeitdienste sowie Dienstleistungen des Staates.
Abb. 4: Wichtigste Wirtschaftsbereiche in den Städten und Gemeinden im Landkreis Nienburg/Weser (in Prozent):
Quelle: Landesamt für Statistik Niedersachsen, Tabelle K70I5101, eigene Zusammenstellung, Stand: 30.06.2019
Umfrage zu Fort- und Weiterbildungsbedarfen
Qualität in Betrieben und Unternehmen sichern oder Karrierechancen steigern - dazu braucht es nicht nur eine gute Ausbildung, sondern auch berufsbegleitende Fort- und Weiterbildungen. Berufliche Handlungsfähigkeit wird durch Fortbildungen gesichert und erweitert, Weiterbildungen dienen dem Ausbau des Wissens und Könnens und erweitern den beruflichen Handlungsspielraum. Die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen wird landkreisweit von Betrieben und Unternehmen vorausgesetzt.
„nienburg.mittelweser - einfach lebenswert“ ist eine Imagekampagne des Landkreises. Auf der gleichnamigen Homepage heißt es: „Der Wirtschaftsraum Mittelweser punktet seit Jahrzehnten mit international bedeutenden Unternehmen der Glas-, Papier- und Chemieindustrie. Ideenreiche und flexible Mittelständler, vom Automobilzulieferer über den Lebensmittelhersteller bis hin zum Anlagenbauer, verstärken die Wirtschaftskraft. Der Branchenschwerpunkt Energie ist nicht erst seit der Energiewende aktuell, sondern hat eine lange Tradition im Wirtschaftsraum Mittelweser.“
Welche Fort- und Weiterbildungen wünschen sich die Betriebe und Unternehmen im Landkreis Nienburg/Weser - zu dieser Frage führte das Bildungsbüro des Landkreises ab November 2019 eine Umfrage durch. Die Agentur für Arbeit, Handwerkskammer, Landwirtschaftskammer, IHK[2] und WIN[3] unterstützten das Bildungsbüro bei der Erstellung eines Fragebogens und mailten die Umfrage über ihre Verteiler an Betriebe und Unternehmen.
Teilnehmende Betriebe und Unternehmen
Sechzig Betriebe und Unternehmen aus allen bereits genannten Bereichen beteiligten sich an der Umfrage zu Fort- und Weiterbildungsbedarfen, insgesamt beschäftigen die Teilnehmenden 5.874 Personen, der überwiegende Anteil in Vollzeit (siehe Abb. 5).
Abb. 5: Anzahl der Beschäftigten an der Umfrage beteiligten Firmen und Betriebe:
Quelle: Landkreis Nienburg/Weser, Bildungsbüro, 2020
Eine regelmäßige Fort- und Weiterbildung (siehe Abb. 6) im Rahmen ihrer Arbeitszeit war für fast alle Befragten für ihre Mitarbeitenden selbstverständlich, über dreiviertel der Betriebe und Unternehmen gaben diesen Wert an.
Abb. 6: Häufigkeit von Fort- und Weiterbildungsangeboten:
Quelle: Landkreis Nienburg/Weser, Bildungsbüro, 2020
Zeitrahmen und Form
Der gewünschte Zeitrahmen für Fort- und Weiterbildungen (siehe Abb. 7) variierte dabei. Die befragten Betriebe und Unternehmen benannten unterschiedliche Werktage, nur fünf Befragte gaben den Samstag als möglichen Fort- und Weiterbildungstag an. Mehrtägige Angebote wurden ebenso gewünscht wie ganz- oder halbtägige. Je nach betrieblichem Schwerpunkt wurden saisonale Zeitrahmen benannt, ein Betrieb verwies explizit auf den Zeitraum der (Saison-)Kurzarbeit. Für berufstätige Eltern als auch für Auszubildende wurde auf die notwendige Berücksichtigung der Schulferienzeiten als Kriterium bei der zeitlichen Planung hingewiesen. Dreißig Betriebe und Unternehmen hatten keine zeitliche Priorität, sie machten entweder keine Angaben, es war ihnen „egal“ oder sie machten die Inanspruchnahme abhängig vom (attraktiven) Angebot.
Abb. 7: Gewünschte Form der Fort- und Weiterbildungen:
Quelle: Landkreis Nienburg/Weser, Bildungsbüro, 2020
Der Wunsch nach webinaren war zum Befragungszeitpunkt (bis Mitte Januar 2020) mit 17 Prozent am Geringsten vertreten. Es ist anzunehmen, dass die veränderten Arbeitsbedingungen aufgrund der Covid 19 - Pandemie den Wunsch nach einer neuen Form von Fort- und Weiterbildungen begünstigt. Dieser ist in der Auswertung der bis Mitte Januar 2020 laufenden Befragung noch nicht erfasst. Anzunehmen ist eine stärkere Gewichtung in Richtung innerhäusigen Formen von Fort- und Weiterbildungen und webinaren.
Gewünschte Themen
Die Betriebe und Unternehmen benannten konkrete betriebs- und unternehmensspezifische Fachschulungen, Recht, Technik, methodisch-didaktisches Handwerkszeug sowie Persönlichkeitsentwicklung und Gesundheit als gewünschte Fort- und Weiterbildungsthemen. Die Betriebe und Unternehmen listeten dabei teilweise auch detaillierte Wünsche auf.
Das Bildungsbüro gab mehrere Themen als Wahlmöglichkeit vor (siehe Abb. 8). Das Thema Zeitmanagement wählten 21 Prozent der Befragten, Kommunikation 19 Prozent, Office Anwendungen 14 Prozent und Grundlagenwissen für Auszubildende 12 Prozent. Die anderen Themen blieben im einstelligen Bereich.
Abb. 8: Folgende Themen waren in der Umfrage als Wahlmöglichkeit vorgegeben:
Quelle: Landkreis Nienburg/Weser, Bildungsbüro, 2020
Fahrtstrecke und Schulungsdauer
Für den Flächenlandkreis Nienburg ergeben sich folgende direkte Entfernungen (Luftlinie): Länge von Nord-Süd (Magelsen nach Münchehagen) ca. 48,5 km, beziehungsweise Nord-Süd (Magelsen nach Diepenau) ca. 58,8 km, West-Ost (Diepenau Rodewald) ca. 58,5 km.
46,8 Fahr-Kilometer gaben die Betriebe und Unternehmen als durchschnittliche maximale Fahrtstrecke zu einer Fort- und Weiterbildung an. Inwieweit die Personen, die zur Arbeit in den Landkreis einpendeln, bereit sind, diese Schulungsangebote wohnortfern wahrzunehmen, ist nicht erfragt worden. Die meisten Einpendelnden kommen aus dem Landkreis Diepholz, gefolgt vom Bundesland NRW und der Region Hannover. Deutlich weniger kommen aus dem Landkreis Verden, Schaumburg und dem Heidekreis.
Als gewünschte Dauer einer Fort- und Weiterbildung wurden im Durchschnitt 1,8 Tage genannt. Die Antworten fielen dabei sehr unterschiedlich aus, wenige Stunden bis mehrerer Wochen wurden als möglich angegeben.
Kostenübernahme und Arbeitszeitanrechnung
Wie wichtig den befragten Betrieben und Unternehmen die Nutzung von Fort- und Weiterbildungsangeboten sind zeigt sich daran, dass 53 die Kosten übernehmen würden. Fünf Betriebe und Unternehmen kreuzten „Vielleicht“ bei der Frage nach einer Kostenübernahme für Fort- und Weiterbildungen an, sieben machten dazu keine Angaben. Ein Betrieb verwies auf zu führende Weiterbildungskonten, ein anderes auf einen jährlichen Etat pro Mitarbeitenden.
54 würden Fort- und Weiterbildungen als Arbeitszeit anerkennen. Betriebsbedingte Notwendigkeiten werden als Voraussetzung für eine Teilnahme genannt, die Befragten definieren diese Notwendigkeiten aber unterschiedlich. Relevanz, Qualität und Zeitaufwand sind Entscheidungskriterien für eine Anmeldung zur einer Fort- und Weiterbildung.
Behindernde Faktoren
Das Bildungsbüro erfragte in der Umfrage, welche Faktoren Fort – und Weiterbildungen in den Betrieben und Unternehmen behindern.
Genannt wurden mehrfach das Tagesgeschäft, Terminaufträge, Personalengpässe, ein hoher Termindruck bzw. Auslastung, saisonale Arbeitsspitzen, die Aufrechterhaltung von Schichtstärken, eine aufwändige Organisation im Haus, Krankheit, hohe Kosten bzw. zu seltene Angebote.
Eine branchenspezifische Ausrichtung wurde als teilweise schwer angesehen. Ebenso die fehlenden Möglichkeit, Schulungsinhalte anzupassen.
Die Ausfälle von angebotenen Terminen (z.B. mangels Mindestteilnahmezahl) wurden ebenfalls als Hindernis für eine Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten angegeben.
Eine mangelnde Bereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum lebenslangen Lernen und eine mangelnde Motivation wurden ebenfalls als behindernde Faktoren für eine Fort- und Weiterbildungsteilnahme in der Umfrage aufgeführt. Ein Unternehmen verwies darauf, dass „viele Mitarbeiter meinen, dass das Tagesgeschäft Priorität hat. Es ist als Vorgesetzter schwer, klarzumachen wie wichtig Weiterbildung ist.“
Ausblick
Als Wirtschaftsstandort kommt dem Bildungsangebot im Landkreis Nienburg/Weser als sogenannter weicher Faktor, neben der Wohn- und Umweltqualität, der Nähe zu Natur und Landschaft, den intakten sozialen Bezügen und dem Gefühl von Sicherheit, eine besondere Bedeutung zu. Eine gute Lebensqualität ist positiv für eine regionalökonomische Entwicklung. Die Imagekampagne "nienburg.mittelweser - einfach lebenswert" setzt gezielt auf die Vorzüge unserer weichen Standortfaktoren.
Standortentscheidungen von Betrieben und Unternehmen und die Entscheidung für den Landkreis Nienburg/Weser als Wohnstandort von hochqualifizierten Arbeitskräften, Berufseinsteigenden und Hochschülerinnen und Hochschülern sind in hohem Maße von weichen Standortfaktoren abhängig.
Fort- und Weiterbildung dienen Betrieben und Unternehmen als Qualitätssicherung und zur Qualitätssteigerung. Darüber hinaus ist die Freistellung und Bezahlung der Fort- und Weiterbildungen „eine Wertschätzung der Mitarbeiter*innen und wichtig für die Identifizierung mit dem Unternehmen“, so die Anmerkung eines Betriebes im Umfragebogen.
Die mangelnden Bus- und Bahnverbindungen im Landkreis wurden als Hemmnis für eine Fort- und Weiterbildung in der Umfrage aufgeführt. In diesem Zusammenhang ist auf den Nahverkehrsplan des Landkreises 2019 bis 2023 zu verweisen, für den ÖPNV-Nutzende befragt wurden: Der Berufsverkehr machte dabei acht Prozent aus, mit einer Angebotsvorhaltung für diese Zielgruppe ist daher in naher Zukunft nicht zu rechnen. Das Auto bleibt im Flächenlandkreis als berufliches Hauptfortbewegungsmittel bestehen.
Um den ländlich geprägten Landkreis Nienburg aus gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Sicht als Wohn- und Arbeitsort langfristig attraktiv zu gestalten und zukunftsfähig aufzustellen sind vorhandene Bildungsressourcen zu nutzen, zu stärken und auszubauen. Lebenslange Bildung wird im Landkreis Nienburg/Weser als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden. Nicht nur als Lebensaufgabe von einzelnen, sondern als Verpflichtung aller (Bildungs-) Akteure, ganzheitliche Teilhabe an Bildung zu erfassen, diese bereitzustellen und zu ermöglichen. Den im Landkreis Nienburg/Weser vorhandenen Bildungsträgern sind in diesem Sinne die detaillierten Ergebnisse vom Bildungsbüro zugeschickt worden. Zwei Bildungsträger haben bereits Interesse für ein entsprechendes Angebot für Betriebe und Unternehmen signalisiert.
Ein herzliches Dankeschön geht an die Unterstützenden und alle Betriebe und Unternehmen, die Interesse zeigten und / oder sich an der Umfrage beteiligten. Bildungskoordinatorin Claudia Eckhardt und Bildungsmonitorer Ralf Mödeker freuen sich, wenn die Umfrageergebnisse dem Ausbau der vorhandene bzw. der Schaffung neuer Fort- und Weiterbildungsangebote dienen.
Stand: 27.05.2020
[1] Quelle: Landesamt für Statistik Niedersachsen, Tabelle K70I5101, Stand: 30.06.2019
[2] IHK - Industrie- und Handelskammer
[3] WIN - Wirtschaftsförderung im Landkreis Nienburg/Weser GmbH, https://www.win-nienburg.de
[Broschüre der Fort- und Weiterbildungsangebote für Betriebe und Unternehmen]